Macht oder Ohnmacht?
Singer/Songwriter Christoph Calim schreibt und singt in seinem musikalischen Essay
monatlich über ein aktuelles, brisantes Thema der Gesellschaft. Im Text findet eine gedankliche Beleuchtung seiner Beobachtungen statt. Im Song berührt Calim die Gefühlsebene und aktiviert das Herzensverständnis.
Ein musikalischer Essay von Christoph Calim
In der Nacht auf den 24. Februar begann das russische Militär eine Invasion in die Ukraine – mit der Folge von vielen Toten & Verletzten auf beiden Seiten, politischen Sanktionen & einer Rückkehr des Kalten Krieges mit Aufrüstung in Staaten weltweit; und natürlich der sinnlosen Zerstörung von unzähligen Häusern – jenem Zuhause von so vielen Menschen, die nun ihre Heimat verlassen müssen, um zu überleben. Bis Ende Mai 2022 waren laut Schätzungen des UN-Flüchtlingskommissariats (UNHCR) rund 6,7 Millionen Menschen aus der Ukraine in Folge des Krieges und aufgrund der Angriffe des russischen Militärs geflohen. Zur Einordnung dieser Dimension: das sind bald so viele Menschen, wie in ganz Österreich leben. Das ist die größte Flüchtlingsbewegung seit dem 2. Weltkrieg. Darunter sind hunderttausende Kinder – viele von ihnen auch ohne Vater oder Mutter. In all diesem Wahnsinn liegt es nahe, sich für jene Menschen zu positionieren, die am meisten unter dem Krieg leiden – und das sind wieder einmal nicht jene Personen, die die Entscheidung zum Krieg treffen.
Eine Zeit ohne Krieg
Haben wir die Macht unsere gefühlte Ohnmacht gegenüber den politischen EntscheidungsträgerInnen in das Gegenteil zu kehren? In der Theorie denke ich haben wir definitiv die Chance dazu. Zwei Zitate zur Veranschaulichung: Der Amerikanischer Historiker & Lyriker Carl Sandburg hat in seinem Gedicht „The People, Yes“ aus dem Jahr 1936 unter anderem folgendes Gedankenspiel festgehalten: „Sometime they’ll give a war and nobody will come.“ Übersetzt ist der Satz uns als „Stell dir vor, es ist Krieg & keiner geht hin.“ bekannt. Nicht hinzugehen, wäre schon ausreichend. Dann gäbe es keinen Krieg mehr. Ein ukrainischer Musikkollege hat dem entgegengesetzt: „Aber in der Ukraine sind die Menschen bereits hingegangen. Dort gibt es Krieg. Das ist die Realität.“ Dem kann ich traurigerweise nichts hinzufügen, außer, dass ich die große Hoffnung in mir trage, dass die Zeit kommt, wo kein Mensch mehr zu einem Krieg geht; eine Zeit, in der Krieg alleine in seiner Vorstellung nur mehr ein absurdes Relikt der Vergangenheit ist. Auch der irische Dramatiker, Politiker, Satiriker und Pazifist George Bernard Shaw hat sich mit den Gräueln des Blutvergießens beschäftigt und die unbegreifliche Absurdität des Krieges auf den Punkt gebracht: „Krieg ist ein Zustand, bei dem Menschen aufeinander schießen, die sich nicht kennen, auf Befehl von Menschen, die sich wohl kennen, aber nicht aufeinander schießen.“ Was würde also passieren, wenn jene Menschen, die sich nicht kennen, ihre Waffen niederlegen? Wer soll dann noch schießen?
Eine Welt der Dualität
Haben wir die Macht alle Kriege dieser Welt zu beenden? Haben wir die Superkraft in einer Gesellschaft jegliche Form von Gewalt zu verbannen? Gibt es denn so etwas überhaupt – eine übermenschliche Kraft? Also eine Kraft, die über den Menschen steht? In der gesamten Menschheitsgeschichte dienen hierfür Gott und Teufel als Symbole der hellen und der dunklen Macht, als Sinnbild unseres Systems der Dualität: Tod oder Leben. Krieg oder Frieden. Hass oder Liebe. Wenn wir all die aktuellen Geschehnisse betrachten, dann gibt es aktuell wohl mehr eine Gesellschaft des Teufels: Covid, Krieg, Inflation, Klima-Katastrophen, Hungersnöte, Amokläufe, Terrorismus und noch vieles mehr … Aber, halt, einen Moment!
Die Verantwortung für den Spiegel der Gesellschaft
Das Problem in der Erschaffung eines „Teufels“ oder eines „Gottes“ ist die Abgabe von Verantwortung. Was liegt im religiös geläufigen Satz „Gott bestraft uns“ verborgen? Meine Interpretation wäre „Es gibt eine übermenschliche Instanz, die uns alle negativen Geschehnisse auf diese Welt bringt. Dagegen können wir leider nichts tun. Wir sind machtlos.“ In dieser Sub-Botschaft gibt es folglich eine klare Abkehr von der eigenen Macht und Verantwortung gegenüber den Auswirkungen einer menschlichen Gesellschaft. Und das ist der „Selbst“-Betrug. Denn, ganz nüchtern betrachtet, die Gesellschaft gäbe es ohne den Menschen gar nicht. WIR sind die Gesellschaft und jeder einzelne Mensch ist ein Mosaiksteinchen darin. Folglich sind alle Geschehnisse einzig eine Spiegelung der Gesellschaft, ein Abbild unserer Verhaltensweisen. Wir tragen die Verantwortung dafür. Jeder einzelne Mensch trägt Verantwortung dafür. Wenn alle zehn Sekunden ein Kind an Hungersnot stirbt, sind wir dafür verantwortlich – denn rechnerisch gäbe es mehr als ausreichend Nahrung für alle Menschen auf diesem Planeten. Wenn in einem Staat ein Krieg beginnt, sind ebenfalls wir dafür verantwortlich und vor allem jene Politikerinnen, die wir gewählt haben oder die wir innerhalb eines Staatensystems dulden. Für den Klimawandel ist der Mensch ja bereits erwiesenermaßen verantwortlich: Wenn nun also Häuser, ganze Landstriche und Vegetationen durch immer stärker werdende Unwetter zerstört werden, tragen wir selbst die Verantwortung. Wenn keine Lebensmittel mehr gedeihen, weil es zu wenig Niederschlag sowie zu viele Dürrezeiten im Jahr gibt und es folglich zu einer Nahrungsmittelknappheit und zu Hungersnöten kommt, bringt uns kein Selbstmitleid weiter; keine Aggression gegenüber dem System oder gegenseitige Schuldzuweisung wird uns helfen, denn jede und jeder einzelne von uns ist für das Chaos mitverantwortlich. Alles, was geschieht, ist ein „Mirror of Society“ und in diesem Spiegel der Gesellschaft können wir einzig uns selbst und die Folgen unserer kollektiven Verhaltensweisen entdecken. Da gilt es genau hinzusehen. Dort können wir lernen.
Die Macht des freien Willens
Oft höre ich die Erkenntnis sei der erste Weg zur Besserung. Daran glaube ich ebenfalls. Wer nicht erkennt, kann nichts können. Die Tatsache der Verantwortung birgt für mich neben dem negativen Aspekt des gegenwärtigen Leids, den positiven Aspekt der Erkenntnis und der Chance daraus eine klare Entscheidung für eine zukünftig andere, nachhaltigere und friedliche kollektive Verhaltensweise als Menschheit zu entwickeln. Denn vielleicht sind wir Menschen nicht nur das Teuflische, sondern auch das Göttliche? Und falls dem so ist, liegt es ganz allein an unserer Entscheidung … viele Menschen haben kein Zuhause mehr, kein Geld mehr, keine Nahrungsmittel, keine Zukunftsperspektive, aber … wir haben (noch) den freien Willen … den freien Willen haben wir alle – und dieser bedeutet Kraft und Macht. Was wählen wir Menschen also? Krieg oder Frieden? Hass oder Liebe?
MIRROR OF SOCIETY – Der Song zum Essay
Singer/Songwriter Christoph CALiM releases “Mirror of Society“ in 2022 – a song that documents incidents in the world and asks the social-critical question if all the negative happenings in our current society are a punitive act by “God” and “Devil” or if they are simply the sad mirror of our society:
A never-ending climate change debate – already surrounded by countless natural disasters – which is confronted with a greed for eternal capital growth; an American president who incites his own people to storm the Capitol; a Brazilian president who pushes the clearing of the rainforest – a unique natural treasure; religiously motivated murders, rapes of women and child abuse worldwide; politicians who degenerate into puppets of the powerful economy lobbies and totally forget the well-being of the people; a worldwide pandemic that stops a “normal” social life, catapults millions of people into poverty, but has doubled the wealth of the ten richest people in the world and is also causing a massive division in society … and now the horrible war in the Ukraine.
“There is no devil, no deity – in this mirror of our society,” Calim sings in his observations. And he adds self-critical: “So maybe the beast, the devil are we – in this mirror of our society.” In his song documentation, performed from a melancholy distance, Christoph Calim leaves it open if humanity will get a second chance and has the potential to improve. There is no room for a customary pop romance through rose-tinted glasses – the song only rebeats cool and down-to-earth all those incidents that have dominated our world in the last years. “The politicians on their money missions forget the people in their dumped decisions. Is this the devil? Oh tell me, is this the devil?”
ÜBER Christoph Calim
Singer/Songwriter Christoph CALiM symbolisiert mit seinen Songs eine „Heartwarming Music“. Als Sänger der Herzen ist er Brückenbauer zwischen verschiedenen Kulturen, Sprachen, Zeiten und Welten. Christoph CALiM gelingt es vielfältige Musik-Genres wie Pop, Rock, Folk, Reggae, Latin, Jazz, Klassik, Rap oder World Music auf der Bühne harmonisch zu vereinen. Er ist ein singender Poet mit offenen Augen und Armen, mit Inhalten am Puls der Zeit und vermittelt dem Publikum stets Herz und Hirn zugleich und in voller Intensität. Musik & Worte sind CALiMs Werkzeuge Gefühle zu aktivieren, zum (Nach-)Denken anzuregen und die Welt zum Positiven zu verändern … „I’m a man of the earth, not a man of a state. I live to love, I don’t live to hate“, betont Kosmopolit Christoph CALiM.
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Fotocredits:
Titelbild = (c) Guardians of the Earth
Zwischenbild = (c) Guardians of the Earth
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