Vier von fünf österreichischen Energieversorgern betreiben Greenwashing
Recherche von GLOBAL 2000 und profil zu Greenwashing zeigt: Die Energiewirtschaft täuscht die Bevölkerung beim Thema Erdgas und bringt die Politik zu Untätigkeit.
Redaktion
Die Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000 veröffentlicht heute gemeinsam mit dem Nachrichtenmagazin profil eine detaillierte Untersuchung über den Umgang der österreichischen Energiewirschaft mit klimaschädlichem Erdgas. Das Ergebnis: Vier von fünf der untersuchten Energieversorger (46 von 56) betreiben in irgendeiner Form Greenwashing. Dabei werden verschiedene Strategien angewendet. Am weitesten verbreitet ist die falsche Darstellung von klimaschädlichem Gas als „natürlich“, „sauber“, „umweltfreundlich“ oder „Partner der erneuerbare Energien“. Doch klimaschädliches Erdgas ist nicht sauber, sondern Teil des Problems: „Öl, Gas und Kohle sind hoch klimaschädlich und sollen rasch ersetzt werden. Durch Greenwashing wird die Bevölkerung aber getäuscht und die Politik zur weiteren Untätigkeit gebracht. Wir fordern die österreichische Energiewirtschaft dazu auf, die umfangreichen Greenwashing-Aktivitäten zu beenden und stattdessen umsetzbare Lösungsstrategien für den Ausstieg aus Erdgas auszuarbeiten“, so Johannes Wahlmüller, Klima- und Energiesprecher von GLOBAL 2000.
Schönfärberei statt klimafreundlichen Lösungsansätzen
Konkret erwartet sich GLOBAL 2000, dass Energiekonzerne das Problem klar benennen und umsetzbare Lösungsstrategien mit Städten, Gemeinden und Kund*innen entwickeln, damit eine Umstellung auf klimafreundliche Energieformen in den nächsten Jahren gelingen kann. Derzeit ist das Gegenteil der Fall: Ausstiegspläne fehlen durchwegs völlig. Für die OMV ist klimaschädliches Erdgas ein „Teil der Lösung“, die Energie AG Oberösterreich stellt Erdgas als „Energieträger der Zukunft“ dar, für die TIGAS ist die Gasversorgung sogar ein „unverzichtbarer Bestandteil der Energiewende“ und laut EVN stellt diese „kein Auslauf-, sondern ein Zukunftsmodell“ dar. Auch die Energie Graz und die illwerke vkw stellen den Ausbau von Erdgas als Beitrag zu einer umweltfreundlichen Energieversorgung dar. Eine Ausnahme bildet die Wien Energie. Es gibt in den veröffentlichten Positionen ein klares Bekenntnis zur Klimaschädlichkeit von Erdgas. Weiters wird eine Priorisierung des Einsatzes von erneuerbarem Gas für jene Bereiche, die es wirklich brauchen, befürwortet. Pläne für den Ausstieg aus Erdgas sind in Wien in Arbeit.
Umweltschädliche Subventionen für Ausbau von Erdgas
Sechs Energieversorger belassen es nicht bei Greenwashing, sondern fördern sogar den Einbau von Erdgasheizungen finanziell. Die Energie AG, die Energie Burgenland, die Energie Graz, die EVN, die LINZ AG und die TIWAG gewähren finanzielle Förderungen zwischen 400 und 1.715 EUR. „Damit werden die Bemühungen von Landesregierungen und der Bundesregierung, mit Förderprogrammen den Umstieg auf klimafreundliche Heizgeräte zu befördern, aktiv untergraben. Während der Republik Strafzahlungen in Milliardenhöhe bei einer Verfehlung der Klimaziele drohen, fördern Energiekonzerne im öffentlichen Besitz fossile Energieträger. Das ist völlig untragbar“, so Wahlmüller weiter.
Klimaneutrales Gas: Greenwashing mit CO2-Zertifikaten
Ein Viertel der Energieversorger bietet CO2-kompensiertes und damit vermeintlich „klimaneutrales“ Erdgas an. Den Start machte vor einigen Jahren der Verbund. Die eingesetzten Kompensationsprojekte sind teilweise sehr fragwürdig. Energie Direct fördert beispielsweise ein fossiles Gaskraftwerk in Indien, der Verbund generiert Zertifikate aus einem eigenen Wasserkraftwerk aus Albanien. Wasserkraftwerke sind eine erprobte und wirtschaftliche Technologie, sodass sie meist auch ohne Zertifikatserlöse gebaut worden wären. GLOBAL 2000 lehnt diese Form der Schönfärberei ab: „CO2-Kompensation kann die Klimakrise nicht lösen, sondern behindert in vielen Fällen Investitionen in klimafreundliche Lösungen, weil sie Problembewusstsein und die Veränderungsbereitschaft verringern“, so Wahlmüller weiter.
Biogas-Beimengung als Feigenblatt
Einige Anbieter mengen ihren Erdgas-Produkten geringe Mengen an Biogas bei und verkaufen diese dann als zielführende Alternative. Dabei geht es um Beimengungen zwischen 5 und 30 Prozent. Der größte Teil des Produktes bleibt fossiles Erdgas. Beispielsweise hat die EVN einen vermeintlich „ökologischen Gastarif“ mit 5 Prozent Biogas-Anteil im Angebot. Auch die Wien Energie bietet einen vermeintlichen „Öko-Tarif“ mit gerade einmal 5 Prozent Biogas-Anteil an und verkauft einen Tarif mit 20 Prozent Biogas bereits als „Gastarif für Klimaschützer“. Die Energie AG Oberösterreich führt einen Gastarif „für Umweltbewusste“, der ebenfalls nur 20 Prozent Biogas beinhaltet.
„Ein Produkt als ökologisch oder umweltfreundlich zu bezeichnen, das zum Großteil aus fossiler Energie besteht, ist aus unserer Sicht eindeutig als Greenwashing zu bezeichnen. Nur sieben Anbieter führen ein 100-prozentiges Biogas-Produkt. Aber auch diese Produkte sind auf der Website der Anbieter meist schwer zu finden und sind wesentlich teurer als die Erdgas-Produkte, die fälschlicherweise als umweltfreundlich präsentiert werden“, so Wahlmüller.
Grünes Gas als Ablenkungsmanöver
Teils wird von den Energiekonzernen eine zukünftige Umstellung auf erneuerbares Gas in Aussicht gestellt. Umsetzbare Pläne wurden dafür jedoch nicht vorgelegt. Untersuchungen* belegen, dass die Potenziale zur Herstellung von erneuerbarem Gas in Österreich nicht ausreichen, um alle Bereiche abzudecken. In der Raumwärme ist somit kein Platz für erneuerbares Gas, es gilt auf andere klimafreundliche Alternativen zu setzen. „Wir bewerten die aktuelle Kampagne der Gasindustrie „Zukunft Grünes Gas“ als Ablenkungsmanöver, das dazu dient, den notwendigen Umbau der Gasinfrastruktur zu verzögern“, erklärt Johannes Wahlmüller weiter.
Hier finden Sie den gesamten Greenwashing Report.
Foto: Pixabay
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